Bericht über die sogenannte Vollversammlung des FB03
Am 15.02.21 fand eine 'Vollversammlung' des Fachbereichs 03 anlässlich der geplanten Kürzungen und Stellensperren am Fachbereich mit Dekanat des FB03 und Uni-Präsidium statt. Hiervon möchten wir als Studierendenzusammenschluss berichten, sodass, trotz der Teilnehmer:innenbegrenzung, auch der Student:innenschaft die Möglichkeit gegeben wird, sich ein Bild über die Lage zu machen. Solche gravierenden Entscheidungen, die massive Auswirkungen auf das Studium am Fachbereich haben werden, gehen die Student:innenschaft erstens als direkt Betroffene und zweitens als Teil dieser Universität etwas an! Im Gegensatz dazu, dass wir mit weitaus mehr als 60 Student:innen Seminare online veranstalten (durch die Einsparungen: Tendenz steigend!), wurde die Vollversammlung auf 45 Teilnehmer:innen begrenzt, um einen 'guten Austausch' zu gewährleisten. Daraus mag jede:r die eigenen Schlüsse ziehen.
Besonders aufgestoßen ist uns erstens, dass die Kritik an der Einladepraktik und die Begrenzung des Treffens sowohl vom Dekanat als auch vom Präsidium nicht aufgegriffen wurde, sondern nur darauf verwiesen wurde, dass die Vollversammlung begrenzt sei, um einen guten Dialog zu ermöglichen. Zweitens, dass nach eindringlicher Schilderung der prekären Lage aus allen Statusgruppen heraus, vom Präsidium immer noch behauptet wurde, dass sie die Lage und Situation am Fachbereich nicht kennen würden. Dadurch, dass auf die einzelnen Beiträge der verschiedenen Statusgruppen nicht wirklich eingegangen wurde und der Kanzler auch über die 'Vollversammlung' hinweg widersprüchliche Aussagen machte, kam bei uns der Eindruck auf, dass das Treffen lediglich dazu diente von einem erfolgreichem Dialog mit dem betroffenen Fachbereich sprechen zu können. Diese Wahrnehmung wird auch durch den Umgang mit Nachfragen im Chat bestärkt, diese wurden alle ignoriert, obwohl im Voraus von der Moderation (Dekan FB03) darauf hingewiesen wurde, dass alle, die keine Vertreter:innen sind, ausschließlich über den Chat kommunizieren sollen. Dies sind letztlich alles Formen des paternalistischen Umgangs des Präsidiums mit uns und den Vertreter:innen des akademischen Mittelbaus sowie der administrativ-technischen Verwaltung.
In der 'Vollversammlung' selbst waren die ganze Sitzung über Studierende lediglich Kennzahlen, beziehungsweise Mittel um Defizite auszugleichen. Kein einziges Mal wurde auf die Auswirkungen auf Studierende eingegangen, wobei das Präsidium auch kaum auf die Auswirkungen der Lehrsituation für die Dozent:innen reagierte. (Bei Interesse an den Zahlen, fragt bei uns gerne nach!) Auch das Wegweisen von Verantwortung war leider ein beim Präsidium und Dekanat des Fachbereichs 03 durchgängiges Motiv, wobei nach unserem Eingreifen zumindest zum Teil eingestanden wurde, dass das Narrativ des 'unsolidarischen FB03' wenig mit der Realität zu tun hat. Dennoch wurde immer wieder auf den geringen Handlungsspielraum bei der Finanzierung verwiesen und als Allheilmittel die Drittmittelanwerbung genannt. Auch diese Lösung scheint absurd, da Drittmittel meistens für die Forschung ausgeschrieben werden und somit das Bildungsdefizit nicht schmälern werden.
Das Dekanat des FB03 fiel dabei durch fehlenden Einsatz für den eigenen Fachbereich negativ auf. Noch gravierender war das fehlende Vorhaben des Präsidiums, sich beim Land Hessen für eine ausreichende Finanzierung der Philipps-Universität einzusetzen. Der Verweis auf den neu beschlossenen Hochschulpakt (Hessischer Hochschulpakt 2021-25), der zwar jährlich 4% Steigerung bei der Finanzierung der hessischen Hochschulen vorsieht, aber laut eigener Aussage des Kanzlers auch nicht ausreichen wird, wurde als Argument für das, unserer Ansicht nach, mangelhafte Vorgehen des Präsidiums angeführt. Dass damit vielmehr die eigene Untätigkeit bei der Entwicklung einer Perspektive unterstrichen wurde, war wohl nicht die beabsichtigte Wirkung dieser Erzählung. Wir bemängeln hierbei ausdrücklich den fehlenden Einsatz für die eigene Uni und die fehlende Bereitschaft zur Vernetzung mit anderen hessischen Hochschulen. Gründe gäbe es genug: Die veränderte Situation des Hochschulalltags seit Beginn der Corona- Pandemie und die Nichtverwirklichung des universitären Auftrags für "Pflege und Entwicklung der Wissenschaften und der Künste durch Forschung, Lehre, Studium und Weiterbildung in einem freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaat" (Hochschulrahmengesetz, Kapitel 1, Abschnitt 1, §2). Im Gesamten war auch keine klare Haltung des Präsidiums zu erkennen. Erstens standen die Erzählungen im Raum, dass der Fachbereich 03 als einziger das Problem hätte sich zu finanzieren, Zweitens unsolidarisch wäre, weil er fordere durch andere Fachbereiche ausfinanziert zu werden (was von keiner Statusgruppe gefordert wurde) und Drittens eigentlich noch besser da stünde als andere Fachbereiche. Die letzte Ansicht impliziert ja, dass auch andere Fachbereiche mit Unterfinanzierung zu kämpfen haben und steht schon im Gegensatz zu den zwei ersten Ansichten. Der größere Widerspruch kam nach unserem Beitrag auf, nach welchem der Kanzler fragte, was wir erwarten würden; ob wir eine Umstrukturierung der Unifinanzierung anstreben würden, da das Problem bundesweit bestünde. Dieses Zugeständnis aber widerlegt alle Individualisierungstendenzen, die vorher angebracht wurden. Wesentlich positivere Signale gab es bei der 'Vollversammlung' von Seiten der Statusgruppen, die untereinander solidarisch auftraten. Die verschiedenen Institute am Fachbereich stellten kritische Fragen, der wissenschaftliche Mittelbau und die administrativ-technischen Mitarbeiter:innen verdeutlichten noch einmal die bereits sehr prekäre Lage. Die Professor:innen stellten die Irrsinnigkeit und Widersprüchlichkeit der Sparmaßnahmen heraus. Der ReVerBi-Beitrag legte noch einmal den Finger in die Wunde. Es wurde damit klar, dass der FB03 sich nicht kampflos einer Verschärfung der Unterfinanzierung fügen wird, und auch das Präsidium musste anerkennen, dass der neue Hochschulpakt bei weitem nicht ausreicht. Stattdessen gab man kleinlaut zu keinerlei Argumentationsstrategien gegenüber der Landesregierung für eine Ausfinanzierung der Bildung entwickeln zu können. Diese Unfähigkeit wurde verbunden mit dem Eingeständnis das Konzept der "unternehmerischen" Hochschule in Marburg zu akzeptieren und "exzellenten" Kürzungen zu vollziehen.
Als Fazit der 'Vollversammlung' ziehen wir, dass das Präsidium leider bisher nicht die Verantwortung übernimmt einen Ausweg aus dieser Lage anzustreben, um die desolate Finanzierungssituation zu verändern. Stattdessen stellt es die Einsparmaßnahmen als alternativlos dar. Dabei wäre eine breite Unterstützung nicht nur aus dem FB03 zu erwarten. Gemeinsam könnte effektiv auf die zuständigen Stellen Druck aufgebaut werden. Wenn Schritte in diese Richtung getan werden, können sie unserer Unterstützung sicher sein; ansonsten wird der Kampf um die Bildung sich auch gegen das rückschrittliche Präsidium wenden. Gerade in einer Krise, die sich in ihrem ganzen Ausmaß nur auch in der Betrachtung der Anfälligkeit der Gesellschaften gegenüber Fake-News, Rassismus und Sexismus erfassen lässt, wäre die Wissenschaft und Bildung zu stärken. Anstatt die Wichtigkeit des Fachbereichs zur Lösung gesellschaftlicher Probleme anzuerkennen, wird er gekürzt und kaputt gespart. Dies geschieht deutschlandweit, ja weltweit, gerade an verschiedenen Unis und zeigt einmal mehr, dass die Logik des Marktes und des Profits nicht der Allgemeinheit dient, sondern gefährliche Entwicklungen, die unsere Gesellschaft und Demokratie gefährden, nach sich zieht. Wir, als Studierenden-Zusammenschluss ReVerBi, fordern einen endgültigen Stopp der Einsparmaßnahmen - nicht nur an unserer Universität. Wir solidarisieren uns mit allen, die unter der Bildungspolitik der Länder einem massiven Verlust der Lehre auf sich zukommen sehen und rufen zum Entgegensteuern auf! Wir werden weitere Einsparungen am Gemeinwohl nicht hinnehmen und dem sukzessiven Zersparen der demokratischen Grundsteine nicht weiter tatenlos zusehen.
Deshalb rufen wir zu einer alternativen Vollversammlung des Fachbereichs auf! Auf dieser Vollversammlung sind alle Studierenden und Beschäftigten aufgerufen, sich an Entscheidungen per Diskussion und anschließender Abstimmung zu beteiligen. Lasst uns gemeinsam dem Sparzwang etwas entgegensetzen!
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