Aktuelle Lage & Situation
Welche Auswirkungen haben die Einsparmaßnahmen konkret?
Ein Einblick, geschildert von Studierenden der Philipps-Universität Marburg.
Überfüllte Seminare, sowie eine unzureichende Betreuung durch die Lehrenden sind schon in den letzten Jahren ein unübersehbares Problem gewesen. Seminare mit bis zu 100 Teilnehmenden können nicht mehr diesen Titel tragen und bei 40 Studierenden im ersten Semester in Tutorien - wie soll da Lehre und Informationsfluss gut funktionieren? Seminare in aktueller Größe bedeuten einen massiven Qualitätsverlust der Lehre. Eine gute Betreuung durch die Lehrenden kann demnach ohnehin nicht mehr ausreichend gewährleistet werden.
„In den überfüllten Seminaren sitzen über 70 weitere Studierende, in denen dadurch kein wirklicher Austausch möglich ist, wohingegen Vorlesungen bei ca. 600 Personen schon eher Stadioncharakter haben. Ich lerne dort nicht dazu, weil ich nicht mehr von Anderen lernen kann. Durch zu große Seminare und fehlende Kommunikation, bleiben wir alle in unserer eigenen Blase.” -Soziologie Studentin
Mit den geplanten Sparmaßnahmen wird die eh schon prekäre Lage ignoriert und das Defizit in Form von Druck und Überlastung konsequent auf die Studierenden und den Mittelbau übertragen. Anstatt die Qualität der Lehre zu garantieren, liegt der Fokus viel mehr darauf, immer mehr Studierende in immer kürzerer Zeit für den Arbeitsmarkt 'fit zu machen'.
Zudem wird das Problem individualisiert. Durch Workshop-Angebote zur Selbstoptimierung und Handhabung von Burnouts wird den Studierenden suggeriert, dass sie selbst das Problem seien. Viele Studierende teilen die Erfahrung der dauerhaften Überlastung, wodurch es eine vermeintlich unveränderbare, schon immer so gewesene, Realität zu sein scheint. Von Dozent*innen und ehemaligen Vor-Bologna-Studierenden, wissen wir, dass es aber auch anders geht.
Durch Corona und die daraus resultierende Umstellung auf Online-Lehre haben sich viele der genannten Problematiken nochmals verschärft. Die fehlende Betreuung durch das Lehrpersonal konnte während der Präsenz-Lehre durch den Austausch unter Studierenden zumindest etwas abgefangen werden. Durch die Online-Lehre fiel das endgültig weg und die Auswirkungen für Studierenden sind deutlich spürbar.
In der Zeit der Online-Lehre, die ohnehin nach mehr Betreuung verlangt, greifen die geplanten Sparmaßnahmen schon im kommenden Semester. Diese werden langfristig fatale Folgen für die Lehre nach sich ziehen. Eine Reihe von Entlassungen und nicht wieder neu besetzbaren Stellen, sind nur der Anfang. Durch die Stellenstreichungen soll erst einmal bewirkt werden, dass das Defizit des FB03 nicht weiter ansteigt. Die Sparmaßnahmen müssen in den nächsten Jahren allerdings noch verstärkt werden, um das Defizit letztendlich zu verringern.
Abgesehen von fehlenden Stellen des Mittelbaus, welche das immer größer werden der Seminare und einen Qualitätsverlust zur Folge haben werden die Stellen für die Tutorien ebenfalls in großer Zahl gestrichen. In den Tutorien wurde bisher den Studierenden die Möglichkeit gegeben, erste Erfahrungen in der Lehre zu sammeln. Damit sind sie für die Studierenden in den ersten Semestern extrem wichtig um die Grundlagen detailliert aufzuarbeiten und verstehen zu können. Wenn nicht einmal die Grundlagen des Studiums angemessen vermittelt werden können, dann zieht das Folgen nach sich, die in ihrem Ausmaß jetzt noch nicht vorstellbar sind.
All diese Kritik soll nicht bedeuten, dass wir einer Umstrukturierung entgegenstehen, allerdings sollte sie dem Erhalt und der Verbesserung der Lehre dienen und nicht der perfektionierten Einsparung an Lehrenden zu Lasten von Bildungswesen, Studierenden.
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